Montag, 3. August 2015

Das Normale hat mich nie interessiert

Interview mit Elias Loeb zu seinem neuen Album "Das Herz ist mir zersprungen" mit Lilo Murr von der Augsburger Allgemeine:





Frage: Auf Ihrer neuen CD „Das Herz ist mir zersprungen“ sind alte, sehr alte Balladen
zu hören. Warum denn das?

Loeb: Ich suche seit vielen Jahren deutschlandweit in den hintersten
Ecken alter Buchläden und Antiquariate nach unbekannten und vergessenen
Balladen, Gedichten und Moritaten, die größtenteils noch nie vertont wurden.

Frage: Beim Song „Nis Randers“ wird mit einem Mittelalter-Rap ein Seefahrerschicksal
erzählt. Was daran fasziniert Sie in Zeiten der Containerschifffahrt so?

Loeb: Dieses Gedicht hat mir meine Mutter ans Herz gelegt. Ich finde, es
ist ein topaktuelles Plädoyer für Nächstenliebe und Zivilcourage. Wenn der Hauptprotagonist entgegen dem besorgten Ratschlag seiner
Mutter nicht Gefahren auf sich nähme, um einen vermutlich fremden
Seefahrer in Not zu retten, hätte er die Chance verpasst, der Mutter ihren
eigenen verschollenen Sohn wiederzubringen.

Frage: Manches Lied erinnert mit dem geflüsterten Text fast an Ludwig Hirsch.Eine Verbeugung vor dem bereits verblichenen Österreicher?

Loeb: Das ist aber ein schönes Kompliment. Seit meiner Kindheit höre,
liebe und verehre ich Ludwig Hirsch in all seinen Facetten, habe ihn oft live erlebt und das hat mich natürlich sehr geprägt. Dem versuche ich schon ein bisschen nachzueifern.

Frage: Es geht um Tod, um Leiden, um unerwiderte Liebe und kühle Gräber. Warum
ziehen Sie diese Themen so an?

Loeb: Ich habe seit frühester Kindheit eine Vorliebe dafür. Die gruseligsten
Märchen wie „Der treue Johannes“ oder „Blaubart“ mochte ich am meisten. Auch habe ich mich schon im Kindergarten und in der Schule als alter Priester oder Totengräber verkleidet und bin mit Krückstock und selbst gebasteltem Mini-Sarg auf dem Schulhof aufgetaucht, weil wir einen toten Vogel gefunden hatten, der dann mit Freunden standesgemäß beigesetzt wurde. Wenig später haben mir selbstkomponierte Jingles für mein fiktives Bestattungsinstitut und eigene
Todesanzeigen viele Stunden bei der Schulpsychologin eingebracht. Das war großes Drama, aber meine Eltern standen immer hinter mir. Das vermeintlich Normale hat mich nie interessiert, dabei war und bin ich ein ängstlicher Mensch. Je mehr ich mich mit Abgründigem und dem Sterben auseinandersetze, umso mehr verliere ich meine Ängste.

Frage: Hätten Sie lieber in einer anderen Zeit gelebt?

Loeb: Auf keinen Fall. Ich fühle mich in der heutigen Zeit sehr wohl und empfinde es als großen Luxus, mit allen Vorzügen der modernen Welt meine Affinität zu alten Dingen und vergangenen Zeiten ausleben zu können.

Frage: Und nach welchen Kriterien suchen Sie die Texte für Ihre Musikstücke aus?

Loeb: Bei der Auswahl achte ich darauf, dass die Texte mindestens 50 Jahre alt sind, so unbekannt wie möglich und dass sie idealerweise noch nie vertont worden sind.

Frage: Und die Musik ist immer selbst komponiert?

Loeb: Ja. Auch alle Instrumente habe ich selbst gespielt und das gesamte Album selbst arrangiert und aufgenommen. Ich weiß genau, was ich will. Am Ende hat aber der Augsburger Tontechniker Danijel Zambo beim Mastern den Feinschliff erledigt.

Frage: Schon auf ihrer letzten CD war nicht gerade der Frohsinn Thema. Sind Sie ein trauriger Träumer?

Loeb: Ich würde mich als melancholischen Freidenker bezeichnen. Dadurch, dass ich meine nachdenkliche Seite und unendliche Fantasie, die Fluch und Segen zugleich sind, mit meiner Musik ausleben kann, beuge ich Depressionen erfolgreich vor.

Frage: Von der Crowd finanziert steht auf dem Plattencover. Heißt das, Sie haben das Geld in kleinen Beträgen gesammelt?

Loeb: Ja, viele Freunde, aber auch Unbekannte haben mitgemacht und das Album sozusagen im Voraus gekauft. Man konnte den Betrag selbst wählen, es fing bei fünf Euro an und ging bis 200 Euro.

Frage: Was hat die Produktion insgesamt gekostet?

Loeb: Insgesamt 1600 Euro, das ist günstig für so ein Projekt, weil ich viel selbst gemacht habe und mir befreundete Künstler, wie der Grafiker Daniel Ruf, der das Cover gestaltet hat und der Fotograf Christoph A. Hellhake, geholfen haben.

Frage: Wie lange hat es gedauert, bis die Summe vorhanden war?

Loeb: Zirka zwei Monate. Ich musste in dieser Zeit aber jeden Tag mehrere Stunden die Werbetrommel rühren, das war quasi ein Fulltime-Job. Ich habe damit also erstmal nichts verdient, aber auch nicht drauf gezahlt.

Frage: Gibt es demnächst auch Live-Auftritte mit „Das Herz ist mir zersprungen“?

Loeb: Daran arbeite ich zur Zeit mit dem befreundeten Augsburger Gitarristen
Johann Nepomuk. Es wird jedoch noch eine Weile dauern, weil wir beide hauptberuflich so eingespannt sind.

Frage: Sie haben einige Jahre als Maskenbildner an der Bayerischen Staatsoper gearbeitet. Was sichert jetzt den Broterwerb?

Loeb: Ich bin immer noch an der bayerischen Staatsoper als Maskenbildner
beschäftigt, nun jedoch als Aushilfe, was mir mehr Freiraum für
meine Musik lässt. Jetzt kann ich auch an anderen Theatern wie dem
Münchner Volkstheater, den Münchner Kammerspielen oder bei
den Salzburger Festspielen mitarbeiten.

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